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“Great Scott!“, wo um Himmels Willen sind wir denn heute gelandet? 1955? 1985? 2015? Oder gar im Wilden Westen? Die Orientierung zu behalten, fällt an Bord des legendären DeLorean DMC-12 mit Flux Kompensator aus Zurück in die Zukunft nicht immer einfach – Zeitreise-Paradoxa, Butterfly-Effekt und natürlich der Jet-Lag erschweren einem den Flug durch das Raum-Zeit-Kontinuum enorm. Trotzdem wollen wir es heute wagen und uns zurück ins Jahr 1985 begeben, wo eines der aufregendsten Abenteuer des 20. Jahrhunderts seinen Anfang genommen hat. Werfen wir den DeLorean an, geben wir Gas bis auf 88 Meilen und springen wir zurück nach Hause zu Doc Emmet Brown, dem exzentrischen Erfinder einer Zeitmaschine, die Hollywood- und Kultur-Geschichte geschrieben hat.
Mitten in Hill Valley, einer fiktiven Kleinstadt in Pasadena, Kalifornien, brütet ein verkanntes Genie in seiner Garage über dem Konzept einer Zeitmaschine. Doctor Emmet Lathrop Brown ist Abkömmling einer aus Deutschland stammenden Familie, die 1908 nach Amerika gekommen und ursprünglich unter dem Namen „von Braun“ bekannt war. Er gilt vielen mittlerweile als der Inbegriff des durchgeknallten Wissenschafters und stand unter anderem Pate für ebenso berühmte Weißkittel wie Professor Frink bei den Simpsons, Professor Farnsworth bei Futurama und aktuell auch für Rick Sanchez aus der Serie Rick and Morty. Obwohl ihn sein Vater, der ehrenwerte Richter Erhardt von Braun, gerne ebenfalls in einem juristischen Beruf gesehen hätte, folgte „Doc“ Brown unbeirrbar seiner Berufung und wurde zu dem Wissenschafter, der schließlich den Flux Kompensator erfand, einige Terroristen um eine Handvoll Plutonium erleichterte, und den ersten Menschen zurück durch die Zeit schickte: Marty McFly, im wahren Leben Michael J. Fox.
Der Rest ist Geschichte und dürfte wohl jedem mehr oder weniger bekannt sein. Eher unbekannt ist allerdings, wie Doc Brown eigentlich in die Verlegenheit gekommen ist, in seiner Garage hinter einem Burger King zu hausen. Diesem Umstand wollen wir uns heute ein wenig genauer widmen und gehen dazu zurück in die Vergangenheit: Als nämlich Marty im Jahr 1955 angekommen war, versuchte er umgehend die 1955er Version von Doc Brown zu kontaktieren, damit ihm dieser bei der Rückkehr in die Gegenwart – also, die Zukunft – helfen möge. Als sich Marty zur Adresse 1640 Riverside Drive begab, staunte er nicht schlecht: Doc Brown hockte nicht mehr (oder noch nicht?) in der mickrigen Garage, sondern residierte in einem 762 m2 großen Traum aus Holz, einem gigantischen 4-Schlafzimmer-Anwesen, das noch heute als Inbegriff des amerikanischen Californian-Bungalow-Stils und als einer der am besten erhaltenen Vertreter der Arts-and-Crafts-Bewegung gilt. Heute ist das sogenannte Gamble-Haus ein architektonisches Wahrzeichen und lockt jährlich über 35.000 Besucher in seine beeindruckenden Hallen.
In Auftrag gegeben wurde das Gamble-Haus bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, und zwar von David B. Gamble, einem Abkömmling der Gamble-Familie. Wer jetzt das Gefühl hat, dass da irgendwelche Glocken läuten, dem dürfen wir versichern: zurecht. Gamble nämlich wie in Procter&Gamble, besser bekannt als P&G, dem weltumspannenden Milliarden-Imperium, das von A wie Ariel über G wie Gilette bis hin zu P wie Pampers in vermutlich jedem Haushalt vertreten ist. Kein Wunder also, dass das nötige Kleingeld vorhanden war, um für sich und die Gemahlin ein schickes Haus im sonnigen Süden bauen zu lassen, wohin man vor den nordamerikanischen Wintermonaten flüchten konnte. Mit der Umsetzung wurde das Architekten-Brüderpaar Charles Sumner Greene und Henry Mather Greene beauftragt, die durch ihre unglaubliche Sorgfalt und Detailverliebtheit Architekturgeschichte geschrieben haben – sie gelten heute nämlich als zwei der Hauptvertreter der amerikanischen Craftmanship-Bewegung, die sich gegen den Stahl- und Beton-Stil einer galoppierenden Industrialisierung verwehrte.
1966 wurde das Haus von den Erbinnen Cecil und Louise Gamble an die Stadt Pasadena übergeben, die es in weiterer Folge zu einem Museum umwidmete. Zwischen Oktober 2003 und August 2004 wurde das Gebäude für rund 3,5 Millionen Dollar aufwändigst restauriert und so nah wie möglich dem ursprünglichen Zustand wieder angenähert. Wer das Haus heute betritt, darf sich über hundert Jahre in die Vergangenheit versetzt fühlen: Denn als es 1909 nach 10-monatigem Bau fertiggestellt und übergeben wurde, sah es genau so aus wie heute. Es ist also an sich eine Zeitmaschine, deren Erhalt gar nicht so einfach ist. Denn, wie Ted Bosley, der Direktor des Gamble-House, in einem Interview anmerkte, die Materialien sind heute teilweise äußerst schwer zu finden. Immerhin kamen beim Bau und der Gestaltung des imposanten Gebäudes sage und schreibe 17 unterschiedliche Holzarten zum Einsatz, darunter California Redwood (Küstenmammutbaum), Mahagoni und Teakholz – alle in so ausgefeilter Handwerkskunst miteinander verschmolzen, dass die Farben und Texturen der unterschiedlichen Hölzer einem optischen Konzert gleich kommen. Und – als i-Tüpfelchen sozusagen – erhielt noch jedes Schraubenloch einen hochglanzpolierten Edelholz-Stoppel, damit sich das Auge des Betrachters von keinem Makel irritiert fühlen kann.
Vom Interieur des Gamble-House sieht man im Film allerdings nichts. Weil zu diesem Zeitpunkt gerade Renovierungsarbeiten stattfanden, wich das Film-Team rund um Regisseur Robert Zemeckis (der übrigens auch Forrest Gump, Falsches Spiel mit Roger Rabbit, Der Tod steht ihr gut und Cast Away gedreht hat) auf ein fast ebenso stattliches Gebäude in der Nachbarschaft aus: An der Adresse 1177 Hillcrest Avenue haben die Green-Brüder einen ebenfalls beeindruckenden Holz-Bungalow gebaut, der sich bis heute in Privatbesitz befindet: das Robert Roe Blacker House. An dieser Immobilie lässt sich auch in etwa der Preis bemessen, den man dafür hinblättern müsste, wenn man so elegant wohnen wollte: laut zilow.com nämlich ca. 4,8 Millionen Dollar. Das nennen wir – Achtung, Schenkelklopfer!–: Ganz schön viel Holz für so viel Holz!
Wissenschafter leben gefährlich
Dass so viel Holz auch ganz hervorragend brennt, zeigte sich schließlich am 1. August 1962, als das Brown-Anwesen in einem riesigen Feuer vollständig zerstört wurde. (Das geht übrigens aus einem Zeitungsausschnitt hervor, der im Intro des ersten Teils der Trilogie gezeigt wird.) Die einen sagen, Doc Browns Experiment sei schief gegangen – andere behaupten, er habe es absichtlich abgefackelt, für die Versicherungssumme nämlich. Obwohl wir dieser Unterstellung nicht ohne weiteres folgen wollen: Die notorische Kapitalknappheit für das Projekt Zeitmaschine könnte durchaus Anlass für diesen Schwindel gegeben haben. Immerhin hatte Docs Forschung bereits das gesamte Familienerbe verschlungen, weshalb er schließlich auch das Grundstück an irgendwelche Bauträger verkaufte und in die Garage umzog. Als es ihm schließlich 1985 gelungen war, die Zeitmaschine zu realisieren, war vom einst stattlichen Brown-Anwesen bloß noch eine heruntergekommene Bude direkt hinter dem Burger King am John F. Kennedy Drive geblieben – den Burger King gibt es übrigens heute noch, zu finden am Victory Boulevard in Burbank, California. Hinter dieser Filiale wurde das Filmset aufgebaut, in dem schließlich die Garagenszenen gedreht wurden.
Warum aber hat sich Doc Brown nicht einfach selbst aus dem finanziellen Ruin gezogen oder das Haus vor den Flammen gerettet? Immerhin hatte er eine Zeitmaschine und offensichtlich auch das kaufmännische Geschick, sich damit zu gigantischem Kapital zu verhelfen: Zum Beispiel die 2,5 Millionen Dollar, die er im Jahr 2015 beim Auktionshaus Sothby’s verdiente, weil er exquisite Comic-Erstausgaben aus dem Jahr 1938 versteigern ließ, die er zuvor natürlich persönlich im Jahr 1938 erstanden hatte. Der eine Teil des Geldes wanderte auf ein Konto, mit dem anderen Teil ersetzte Brown den Kernreaktor des DeLorean durch einen Mr. Fusion, der es ermöglichte, die Zeitmaschine mit gewöhnlichem Haushaltsmüll zu betreiben. Aber wer den Doc kennt, weiß, warum er keine Anstalten machte, das Haus zu retten: es ist keine Frage des Machbaren, sondern des Vertretbaren, denn selbst kleine Änderungen im Raum-Zeit-Kontinuum bergen ungeheure Gefahren, deren Konsequenzen niemals vorhergesehen werden könnten. Von Zeitschleifen bis hin zur Zerstörung des gesamten Universums könnte alles im Bereich des Möglichen liegen, und vielleicht hätte der Doc den Flux-Kompensator auch gar nicht erst erfunden, wäre er nicht in der Garage gesessen, sondern im Gamble-House von all den atemberaubenden Holz-Panelen abgelenkt gewesen. Great Scott, man stelle sich das bloß vor!
Wer sich nun in der Stimmung fühlt, sich selbst wieder einmal auf Zeitreisen zu begeben, dem dürfen wir einen Filmmarathon mit Marty McFly und Doc Emmet Lathrop Brown sehr empfehlen. Wer sich darüber hinaus noch mit diesem reizvollen Themenkomplex beschäftigen will, der hat viele Möglichkeiten, noch tiefer zurück in die Zukunft zu gelangen: Neben den drei Filmen gab es auch eine ganze Reihe Computerspiele (zuletzt von Telltale Games, den Machern von Blockbustern wie z.B. The Walking Dead – das Spiel) – oder man vertieft sich in die vielen Comic-Erscheinungen, die unter anderem bei IDW-Publishing erscheinen. Dort widmet man sich mit großer Hingabe den unerzählten Abenteuern und alternativen Zeitlinien im Back-to-the-future-Universum – unter anderem auch Nebenhandlungen wie „Biff to the future“ oder „Citizen Brown“. Nummer 21 von „Back to the future – Continuum Conundrum“ erscheint im Juli 2017 am amerikanischen Markt. Man sieht: Zurück in die Zukunft ist alles andere als Vergangenheit.
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